Herr Plöger, 2018 begann mit heftigen Stürmen, Starkregen und Überschwemmungen. Ist das für einen Meteorologen ein idealer Jahresauftakt?
Es war schon viel geboten, das stimmt. Ich liebe ja wechselhaftes Wetter, deshalb lebe ich auch gern in Mitteleuropa. Dauernd ändert sich alles, ständig passiert etwas Spannendes. Jeden Tag blauer Himmel und Sonnenschein – etwas Langweiligeres ist ja kaum denkbar. Und Unwetter haben auch eine Ästhetik – solange niemand zu Schaden kommt. Und sie sind eine Herausforderung für die Vorhersage, die ich als Meteorologe gern annehme. Tragisch ist es natürlich, wenn es Todesfälle gibt wie bei „Friederike“. Das wünscht sich niemand.
Sie selbst waren auch von dem schwersten Sturm seit Jahren betroffen.
Ich war mit dem Zug auf dem Weg nach Essen und saß dann in Münster fest. Ein Dach wurde abgedeckt und war auf die Oberleitung gekracht, es gab keinen Strom. Das bedeutete nicht nur, dass es nicht mehr weiterging, es gab auch keine Heizung, keine Toilettenspülung, nichts. Es wurde langsam kälter und spätestens nach drei Stunden musste fast jeder mal wohin. Das war auch ein olfaktorisches Erlebnis, kann ich Ihnen sagen.
Täuscht der Eindruck oder erleben wir immer häufiger Extremwetterlagen?
Wir hatten Anfang 2018 in kurzer Zeit wirklich sehr viele extreme Ereignisse. Nimmt man die vergangenen zehn, 15 Jahre als Maßstab, kann man klar feststellen: Ja, extreme Wetterlagen haben zugenommen. Will man Aussagen über die Entwicklung des Klimas machen, ist jedoch der Durchschnitt der letzten 30 Jahre entscheidend. Zieht man diesen als Vergleich heran, bewegt sich unser Wetter immer noch im Bereich der normalen Variabilität – allerdings sehr nah an der oberen Grenze.
Das heißt?
Ich gehe davon aus, dass wir künftig mehr Extremwetterlagen sehen werden und bald auch im langfristigen Mittel von einer Klimaverschiebung sprechen können. Momentan gibt die Statistik das noch nicht eindeutig her.
Haben wir nur häufiger Unwetter oder nimmt auch deren Intensität zu?
Das kommt drauf an. Ganz klar ist es zum Beispiel bei Hitze: In den 1950er Jahren hatten wir in Deutschland im Flächenmittel drei Tage im Jahr, an denen die landesweite Durchschnittstemperatur über 30 Grad stieg. Heute sind wir bei acht Tagen. Das ist fast eine Verdreifachung. Und gerade Hitze wird von vielen unterschätzt, nach dem Motto: Schön warm, ist doch nicht schlimm. Dabei ist keine andere Extremwetterlage für so viele Todesfälle verantwortlich: Kreislaufversagen, dehydrierte Menschen – wirklich gefährlich.
Was ist mit Sturm? Viele Leute haben das Gefühl, dass die Orkane immer heftiger werden.
Tendenziell stimmt das. Die Wissenschaft geht davon aus, dass wir bei Stürmen mit einer Verstärkung rechnen müssen, aber nicht unbedingt mit einer Häufung. Das gilt nicht nur für die klassischen Winterstürme hier bei uns, sondern auch für Hurrikane in der Karibik oder Taifune in Asien.